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9 Tonnen 40 Jahre alter Stahl und 75 PS: Die Lykke ist unser neues Schiff und gleichzeitig unser Start in ein neues Abenteuer.
Anfang Juni haben wir das Schiff in Hamburg entdeckt und uns bereits bei der ersten Besichtigung verliebt. Die Lykke (dänisch für “Glück”) ist ein holländischer Stahlverdränger und wurde 1980 von der Gruno Werft gebaut. Die Modellbezeichnung lautet “Kruiser” aber die genaue Modellnummer haben wir bisher nicht herausgefunden. Handelt es sich möglicherweise um ein Einzelstück? Wir wissen es nicht.
Von Hamburg nach Castrop-Rauxel
Der vorherige Eigner war Mitglied in einem Hamburger Motoryachtverein und hatte dort auch einen Liegeplatz den wir durch den Kauf leider nicht übernehmen konnten. Liegeplätze sind generell derzeit sehr rar was (wie so vieles) auch ein Stück mit der Corona Situation zusammenhängt. Diese hat nämlich dem Bootssport eine kleine Renaissance beschert.
Am Dienstag, den 28. Juni war es dann soweit: das passende Zeitfenster für die Überführung war da. Wetter und Wind passen und Niedrigwasser war in Hamburg für 12 Uhr angesetzt. Wir wollten mit der auflaufenden Flut unsere erste Schleuse in Geesthacht erreichen. Peter von der Yachtschule Rünthe hat uns die erste Etappe von Hamburg bis zur Schleuse in Scharnebeck begleitet, denn wir hatten schon einen gehörigen Respekt vor der Elbe. Die Gezeiten, Pegelstände und Berufsschiffer haben wir uns nicht allein zugetraut.
Um es vorweg zu nehmen: all unsere Bedenken waren unnötig. Der Abschnitt über die Elbe verlief sehr entspannt. Das Wetter war grandios und weit und breit war nicht mal ein Berufsschiff zu sehen. Das einlaufende Wasser hat die Lykke bis nach Geesthacht auf atemberaubende 15 Km/h “beschleunigt”.
Nach der Schleuse in Geesthacht ging es dann noch ein paar Kilometer auf der Elbe weiter, bis wir dann kurz vor Lauenburg in den Elbe-Seitenkanal abgebogen sind. Nach einer halben Stunde Fahrt mussten wir dann aber erst einmal eine Zwangspause einlegen: der Schleusenwärter des Schiffshebewerks Scharnebeck teilte uns mit, dass wir erst am nächsten morgen geschleust werden können. Also machten wir im Unterwasser des Hebewerks fest und bereiteten uns auf die Nacht vor. Für Peter endete hier die Reise: er ging von Bord und fuhr mit dem Auto zurück nach Bergkamen.
Eine entspannte Reise über den Elbe-Seitenkanal
Am nächsten morgen meldete sich um 7:30 Uhr auch schon der Schleusenwärter per Funk bei uns. Es musste schnell gehen: wir sollten gleich hinter dem nächsten Berufsschiff in das Hebewerk einfahren. Ein wenig überrumpelt ließen wir unser Frühstück stehen, warfen den Motor an und die Leinen los.
Das Schiffshebewerk Lüneburg Scharnebeck ist ein gigantisches Bauwerkt. Wenn man wie wir im Unterwasser steht und nach oben fahren möchte wirkt dieser überdimensionierte Schiffsaufzug schier monströs. Die Einfahrtstore hingegen sehen aus der Ferne mikrig klein aus. Würde man bei der Anfahrt nicht schon das Berufsschiff einfahren sehen, bekäme man sicherlich Zweifel ob man überhaupt mit seinem Boot hineinpasst. Doch zum Glück passt alles und so monströs das Hebewerk aussieht, so einfach ist es doch zu befahren: Einfahren, anlegen, festmachen und warten. Kein hektisches Leinenumlegen und keine Strömung. Die 20 Minuten Fahrt kann man sehr gut nutzen um sich zurückzulehnen und das Schauspiel zu genießen.
Auf die weitere Fahrt über den Elbe-Seitenkanal haben wir uns im Vorfeld schon sehr gefreut: viel Natur, dichte Wälder und kleine gemütliche Ortschaften. Dann noch das Glück mit dem Wetter: wir hatten durchweg Sonnenschein bei fast 30 Grad.
Ein Tipp: Unbedingt in Bad Bodenteich festmachen. Es gibt dort einen größeren Liegeplatz für Sportboote mit sehr guter Infrastruktur. Für ein paar Euro kann man sich im Edeka-Markt im Ort eine Karte kaufen um die Landstromsäulen freizuschalten. Man befindet sich auf dem Kanal mitten im Wald und ein Waldfreibad ist nur wenige Gehminuten entfernt. Die Anlegestelle hat einen so guten Ruf, dass man dort regelmäßig Bootsfahrer aus halb Europa antrifft. Auf unserer Überführung haben wir dort Niederländer, Dänen, Norweger und Briten getroffen. Ein bunter Haufen mit interessanten Geschichten.
Ein schwimmendes Dach auf dem Mittellandkanal
Die malerische Idylle des Elbe-Seitenkanals sollte man sich übrigens gut einprägen, denn mit der Einbiegung in den Mittellandkanal ist die Ruhe vorerst vorbei. Hier reiht sich Berufsschiff an Berufsschiff. An ein Überholen ist nicht zu denken. So tuckern wir hier mit nur 8 bis 9 KM/h hinter den Frachtern her.
Übrigens: der russische Krieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise ist hier sehr deutlich zu spüren: beinahe jedes zweite Schiff ist mit Kohle beladen und auf dem Weg zu irgendeinem Kraftwerk. Wir schlängeln uns zwischendurch und genießen unseren letzten Tag in Ruhe, denn am nächsten Tag bekommen wir zwei neue Crew-Mitglieder: unsere Töchter werden gebracht und fahren die dann folgende Etappe von Hannover bis Castrop-Rauxel gemeinsam mit uns.
Einer Kuriosität sind wir dann zwischen Hannover und Minden begegnet: Schon aus der Ferne haben wir ein seltsames Konstrukt auf dem Wasser ausgemacht. Im Fernglas konnte man schon eine wilde Holzkonstruktion erinnern. Es sah ein wenig aus wie ein Floß mit einem chaotischen Holzaufbau. Vielleicht ein Partyboot? Es war recht langsam unterwegs und selbst beim Überholen war uns nicht klar, was das sein sollte. Das Geheimnis lüftete sich erst zu Hause: Citizenship stand dran geschrieben und offenbar ist es ein schwimmendes Dach auf dem Weg zur Dokumenta nach Kassel.
Über den Dortmund-Ems-Kanal nach Castrop-Rauxel
Die Reise mit dem Schiff bringt uns schnell in einem Zustand in dem wir die Zeit völlig vergessen. Ist es Dienstag oder Mittwoch? Mittag oder schon früher Abend? Das Sonnenlicht ist unser einziger Maßstab: wird es dunkel, suchen wir uns einen Platz zum anlegen. Wir kochen, trinken ein oder zwei Bier und legen uns schlafen. Es sind die Basics, die unseren Tag bestimmen. Fahren, essen und hin und wieder mit einer Schleuse funken.
Es ist genau diese Erfahrung, die wir suchen. Die Beschäftigung mit grundlegenden Dingen reißt unsere Köpfe mit dem ersten Fuß den wir an Bord setzen aus unserem Alltag heraus. Das Smartphone und tägliche Nachrichtenlage wird wohltuend irrelevant. Mit der Einbiegung vom Mittellandkanal auf den Dortmund-Ems-Kanal wird uns bewusst, dass unsere Reise in die letzte Etappe startet.
Der AMC Castrop-Rauxel gewährt uns vorläufig als Gastlieger Unterschlupf. Als Gastlieger deshalb, weil auch der AMC, wie so alle Häfen im Ruhrgebiet, voll belegt ist. Unsere Hoffnung: hier mittelfristig einen Dauerliegeplatz zu bekommen. Die Infrastruktur des Hafens ist super: es gibt einen Kran, jeder Platz ist mit Strom und Wasser versorgt, es gibt ausreichend Außenliegeplätze und nicht zuletzt durch die Vereinstätigkeit erhoffen wir uns ein wenig Unterstützung und ein offenes Ohr bei Fragen.
Eine letzte Kurve, dann sehen wir schon den Gastanleger in Castrop-Rauxel. Unsere 6 tägige Reise findet ein Ende. 431 KM über die Bundeswasserstraßen. Mal aufregend aber die meiste Zeit sehr entspannt. Wir haben fast bei jedem Anleger interessante Bekanntschaften gemacht. Es war eine besondere Reise, die wir in der Form bisher nicht gemacht hatten und die uns sicher noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Sie ist der Beginn in ein neues Leben.
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